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4 Die Rückkehr

4 Die Rückkehr


Ich weiß nicht genau wie lange ich dort war (gab es ja so etwas wie Zeit nicht). Jedenfalls vergaß ich schon fast, dass ich ja noch einen Körper hatte. So wohl und zu Hause fühlte ich mich. Es war wie „früher“, vor meinem Leben hier als Mensch. Ich fühlte mich so warm und geborgen, wie ich es nie in meinem Menschenleben erfahren hatte und ich habe wirklich viel geliebt und wurde geliebt in diesen bis dahin 23 Jahren. Sicher, es waren auch nicht immer einfache Zeiten. Es gab auch Phasen wo ich das Gefühl hatte regelrecht durch die „Hölle“ gegangen zu sein, aber bei allem durfte ich Liebe erfahren von Personen in meinem Umfeld und vor allem von Gott, der mir – meist ohne dass ich es merkte – die schlimmsten Lasten trug (was man ja fast immer erst im Rückblick erkennt und als Segen zu schätzen lernt).

Traurig wurde mir bewusst, dass ich nicht hier bleiben kann. Zumindest jetzt noch nicht. Denn ich wusste, ich habe einen Auftrag. Ich musste nun wieder fortgehen von hier, zurück in mein menschliches Leben, auch wenn ich keine Lust mehr dazu hatte, das Gefühl hatte ich wohl von meiner menschlichen Seite. Aber ich war Gott nicht böse, ich sträubte mich auch nicht. Denn ich wusste ja, dass ich meine Aufgabe(n) zu Ende erfüllen werde und auch will, auch wenn das bedeutet noch einen sehr langen Weg vor mir zu haben. Ich weiß ja, ich werde hierhin zurückkehren und noch mehr sehen und wissen als das, was Gott mir jetzt wieder gezeigt hatte und mich wissen hat lassen. Was waren die letzten 23 Jahre Erdenzeit schon gewesen? Am Ende ist das ganze Leben von dort aus betrachtet nur wie ein Wimpernschlag. Nicht mehr. Es ist, als wäre man von dort, diesem Ort, nie fortgewesen.

Die Sache war nur – das „wieder fort müssen“ und somit wieder getrennt zu sein von ihm, das fiel mir schwer. Dessen ungeachtet wusste ich, er hat mich erwählt für diese Aufgabe, für dieses Leben. Genau ich, niemand sonst. (Dass Gott erwählt steht übrigens auch in der Bibel, im Johannesevangelium 15, 16.) Er hatte mich ausgestattet mit dem, was ich für diese Aufgabe benötigen werde und wird es auch weiterhin tun, mich auszustatten. Ich bin stark, das wusste ich nun. Ich habe Kraft, durch ihn. Nur ich kann dieses Leben führen, in diesem Körper, den er für mich erwählt hat. Das fühlte ich. Begründen kann ich es nicht. Aber es war direkt auf mich zugeschnitten oder ich auf ihn. In dieser Familie, dieser Umgebung usw. Und in dem Moment schien es mir, als erinnerte ich mich daran, wie meine Eltern noch jung waren und es klar war, da würde ich hinein geboren werden. Ich nahm war, wie Gott mir damals schon die kleine bestehende Familie gezeigt hatte und ich sie beobachten konnte, bis es an der Zeit für mich war auf die Erde zu kommen. Zu welchem Zeitpunkt genau sich mein Geist mit dem menschlichen Körper verschmolzen hat, weiß ich leider nicht. Ich spürte nach dieser mir von Gott freigegebenen „Erinnerung“ jedenfalls auch wieder diese tiefe Freude in mir, die ich damals vor „Antritt“ meiner Aufgabe für dieses Leben hier gehabt hatte, als ich noch in vollkommen freier Form war. „Ich hatte mich also gefreut“, war mein Gedanke. Ich hatte mich kein bisschen gescheut. Gleichzeitig konnte ich daraus auch schließen, dass meine natürliche Form um einiges mehr gewusst haben muss, und auch wie mein Leben verlaufen wird. Ich wusste es einfach, dass ich es zuvor gewusst hatte was auf mich zukommen wird, wie mein Leben hier verlaufen wird, welche Schwierigkeiten mir begegnen werden usw. Auch wenn ich das jetzt nur bedingt weiß, so reicht es mir zu wissen, dass es geschehen wird, wie Gott es geplant hat.  Ob komplett alles Vorsehung oder es ein in etwa Plan ist, der Raum für Lücken lässt, blieb mir leider (!) verborgen. Denn die Antwort auf diese Frage zu finden würde mich schon reizen, meine menschliche Neugier. Doch wenn Gott wollen würde, dass ich Kenntnis darüber hab, so hätte ich diese. Es ist nicht notwendig das zu wissen, um dieses Leben führen zu können. Es würde uns einschränken in unseren Entscheidungen, welche wir ja schlussendlich selbst treffen wollen oder müssen. In wie weit Gott da mitmischt bleibt wohl sein Geheimnis.

 ·     Mein Leben

Mein Leben hier auf der Erde könnte man mit einem Vertrag vergleichen, um den man bittet und sich freut ihn eingehen zu dürfen, den man in vollkommener Liebe eingeht. Es war als ob Gott und ich das abgesprochen hätten, was mir in diesem Leben alles begegnet wird. Plötzlich konnte nahm ich ein Gefühl in mir war und eine Erinnerung. Ich konnte mich nun an diese unübertrefflich große Freude erinnern (sicher weil Gott es zuließ), als hätte ich es gar nicht erwarten können endlich auf die Erde zu dürfen um meinen Auftrag auszuführen, für Gottes Reich und für die Menschen, für was auch immer. Ich wusste nur, ich wollte unbedingt und ich freute mich so sehr darauf! Gott würde mich, auch wenn ich dann nicht mehr so nahe bei ihm wäre wie zu dieser „Zeit“, bei all dem nie alleine lassen – auch wenn es mir im Leben hier streckenweise so vorgekommen war oder manchmal noch vorkommt. Zeigte nicht auch Jesus am Kreuz seine überausmenschliche Seite als der die Worte die wir im Alten Testament finden wiederholte „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Natürlich weiß auch Jesus, dass sein Vater dies niemals getan hat. Es sind gibt Momente im Leben, da fühlen wir uns verlassen, von anderen Menschen und von Gott. Doch wissen wir aus Glauben und/oder aus Erfahrung, dass Gott immer da ist, selbst in der schlimmsten Stunde.

Als ich damals in meinem ursprünglichen Bewusstsein den „Sprung“ auf die Erde machte wusste ich, dass ich eine Mission zu erfüllen hatte und ich wusste genau worum es ging. (Heute denke ich, es sind möglicherweise auch ganz viele einzelne und kleine Missionen, ganz viele Dinge wo ich dazu beitrage Steine ins Rollen zu bringen, Samen zu säen als Gottes Bodenpersonal, er sorgt dann dafür, dass diese wachsen und gedeihen können). Es schien mir in diesem Moment der Rückerinnerung so, als sei dieses Leben hier für mich auf der Erde genau geplant gewesen, ja es war maßgeschneidert. Natürlich wusste ich zu dieser „Zeit“ auch, dass ich mich im menschlichen Körper angekommen, an nichts von alledem mehr erinnern würde und total abgeschnitten und vorerst auf mich allein gestellt sein würde. Ich war angewiesen auf meine mich liebenden und umsorgenden Eltern, die ich zum Glück hatte und habe. Ich hatte eine wundervolle Kindheit, wenn diese auch von meiner schlimmen Neurodermitis bis zum jungen Erwachsenenalter hin geprägt war. Doch die Liebe meiner Eltern und mein stabiles soziales Umfeld haben all die Schmerzen und den Kummer wieder ausgeglichen – bis ins hohe Jugendalter hinein, bis ich Gott langsam wieder richtig kennen lernen durfte. Das hat mit unterschiedlichen Begebenheiten zu tun. Zum einen war es einfach meine Biographie, mein Lebenslauf der so war, dass ich nach mehr strebte und mehr suchte. Zum anderen war ich als junge erwachsene Person immer selbstständiger und nach und nach weniger auf die Eltern angewiesen oder andere Bezugspersonen. In diesem Alter wurde mir bewusst, dass die Eltern nicht mehr die sind, die alle körperlichen und seelischen Wunden heilen können, wie früher in der Kindheit. Ich bekam Liebe geschenkt durch gute und aufbauende, ermutigende Worte, wurde in den Arm genommen etc. Mit eigenständigem Denken und dem stetigen Lernen von den Vorbildern und der Umwelt um sich, wird es irgendwann immer weniger was wir von den Eltern lernen. Auch die Eltern gelangen irgendwann an ihre Grenzen, an denen sie uns nicht mehr weiter helfen können. Jeder Schüler hat irgendwann den Punkt erreicht, wo der Meister ihm alles gelehrt hat – oder so ähnlich. Jedenfalls erkannte ich, dass meine Eltern mir auf manche meiner Lebensfragen keine Antworten geben konnten. Die Frage nach einem „Ist das schon alles?“, drängte sich mir auf – mehr oder weniger. An diesem Punkt meines Erwachsenwerdens konnte ich Gott aus menschlicher Perspektive dann erst so richtig kennen lernen, da er mir Antworten geben konnte und noch so viel beizubringen vermag, wie ich später herausfand, Dinge um die es wirklich geht. Und vor allem begann ich zu lernen ihm zu vertrauen. Ich wollte ihn immer näher und tiefer kennen lernen und bat ihn darum sich mir zu offenbaren. Denn ich wollte ihn so richtig kennen lernen und erleben wie die Menschen in der Bibel ihn erlebt haben. Nur wie wollte er das anstellen? Wie konnte ich mehr erfahren?

Hier ist der biographische Anteil. Mein Leben verlief so, dass ich automatisch den Wunsch verspürte. Nach meiner ersten Berufsausbildung hatte ich im Umfeld weniger Kontakt zu Christen, also zu Menschen die an Gott glaubten. Ich bemerkte, wie sehr ich diese Kontakte vermisste und wie sehr es mir auf die Nerven ging solche oberflächlichen Gespräche zu hören in den vielen Pausen meiner Klasse als ich meine Fachhochschulreife nachholte, nach der Berufsausbildung. Für die meisten meiner Klassenkameradinnen waren das die Themen von Wichtigkeit, für mich war vieles unvorstellbar nichtig. Irgendwann bemerkte ich, wie manche Freude am lästern und tratschen haben und ich bemerkte, dass ich manchmal auch mitgemacht habe. Warum nur? War ich früher nicht selber Opfer solcher Tratsch-Attacken wegen meiner Neurodermitis? Ich begann mich von so einem Verhalten abzuwenden. Manche Menschen wissen einfach nicht über was sie sonst reden können, schien es mir manchmal. Wer die größte Klappe hat, bekommt die größte Aufmerksamkeit, schien es mir auch manchmal. Doch diese Art der Aufmerksamkeit interessierte mich nicht. Mein Selbstbewusstsein begann sich weiter zu entwickeln, wie es das auch schon während der vier Jahre Berufsausbildung tat. Ich suchte nach Leben, nach wirklichem Leben. Ich suchte nach Gott. Und eines Tages in diesem Schuljahr saß ich an einem Samstag im Wohnzimmer und schaute ausgiebig die Tageszeitung durch – was ich für gewöhnlich im Grunde nie mache. Doch an diesem Tag tat ich es, ohne bestimmten Grund und ohne bestimmte Absicht. Ein kleiner Beitrag und einer rechten unteren Ecke eines Mittelteils erregte meine Neugierde. Dort hieß es, dass demnächst ein neuer Alpha-Kurs starten würde, ein Glaubensgrundkurs. Zwei Menschen kannte ich, die an einem solchen schon teilgenommen hatten und denen dieses gefiel. Ich meldete mich dort an und nahm teil. Bei mir war es ein kleiner Zeitungsartikel, der den Anfang machte – ein Anfang auf der abenteuerlichen Reise Gott kennen zu lernen. Nicht nur von ihm und über ihn zu erfahren, wie das in der Schule und im Konfirmandenunterricht der Fall bei mir war, sondern ihn zu erfahren, ihn zu erleben, ihn zu spüren und später auch ihn zu hören, mit ihm zu sprechen. Durch den Alpha-Kurs in dieser freien Gemeinde (vorher wusste ich nicht mal, dass es so etwas gibt) lernte ich Christen kennen die so einen ganz anderen Bezug zu Gott haben, die ihren Glauben anders leben als ich es bisher kennen gelernt hatte. Ich erfuhr ich das, nachdem ich mich sehnte. Ich lernte viel und ich begann mich für dieses ganz andere, ganz neue zu öffnen. Ich wollte das, was ich bei den anderen sah, von dem sie sprachen auch erleben. Ich wollte da auch haben. Und so übergab ich nochmal mein Leben an Gott, diesmal irgendwie anders. Und Gott fing an mir zu begegnen in meinem Herzen ganz nahe und ganz intensiv. Es waren nicht nur diese tollen Lobpreislieder auf Deutsch und auf Englisch. Auch ohne Lobpreislieder konnte ich Gott im stillen Gebet auch bei mir zu Hause so fühlen. Es geht nur darum, das Herz zu öffnen. Die Anbindung an die Gemeinde war sehr hilfreich. So lernte ich immer weiter und bliebt am Ball. Ich reifte heran. Wo ich zuvor dachte schon eine Christin zu sein, so erfuhr ich nun, wie ich als solche Leben kann, wie ich Jesus nachfolgen kann. Und ich wollte ihm nachfolgen, immer mehr. Von ganz allein. Mein Leben habe ich ohne, dass es mir auffiel, in vielen Punkten umgestellt, weil mein Denken einfach anders geworden war. Manche aus meiner evangelischen Gemeinde behaupten über diese freie Gemeinde, sie sei eine Sekte und betriebe Gehirnwäsche. Doch nie zuvor fühlte ich mich freier und näher an Gottes Herzen. Es ist die Andersartigkeit den Glauben zu leben, die manche erschreckt. „Die heben da die Hände und schwingen mit Fahnen, die jubeln und schreien und springen wenn sie Lieder zu Gott singen.“ Komisch nur, tat David im Alten Testament nicht auch so etwas wenn er Gott pries?

Durch meinen Doppelstudiengang (soziales und diakonisches) an einer evangelischen Hochschule wurde ich weiter geschult. Es gibt unterschiedliche Menschen und unterschiedliche Bedürfnisse den Glauben zu leben. Jede/r hat seine eigene Art und das ist gut. Gott kommt es auf die Herzen an. Wer möchte, dass Gott in sein Leben kommt, muss sich auch dafür öffnen, dass er das Herz und den Alltag, ja eventuell das ganze Leben auf den Kopf stellt. Denn Jesus nachzufolgen heißt zunächst einmal entrümpeln, Gott machen lassen, auf ihn hören. Gott kennen lernen, Jesus kennen lernen. Das geht indem man Zeit mit ihm verbringt, in dem man in der Bibel liest, andere christliche Bücher, in dem man betet und ganz besonders, indem man Gemeinschaft hat mit anderen Christen und voneinander lernt, füreinander da ist, miteinander ist. Wer sich von Jesus berühren lassen möchte, muss auch damit rechnen, dass das erst der Anfang ist.

·     Die Verbindung – Zwei Ringe

Ich könnte Bücher schreiben. Und so Gott will, wird aus diesem Text auch einmal eines. Doch nun zurück zu meinem Erlebnis.

Mein menschlicher Körper und mein Vorname waren das einzige wozu ich in meiner momentanen und ursprünglichen Existenz als Geistform noch eine Verbindung hatte. Durch meinen „Menschenkörper“ und meinen Vornamen war ich also und auch logischerweise mit der Welt verbunden. Es kam mir vor als ob mein irdisches Leben und mein ursprüngliches Wesen wie zwei einzelne Ringe waren, die sich ohne Schweißnaht ineinander zusammengefügt hatten. Sie ließen sich nicht trennen. Gott zeigte mir als ich bei ihm war meine von dort aus fremdgewordene Familie. Und weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Bedeutung von dem was er mir zeige verstanden hatte, fragte ich ihn welche Gründe es für mich gibt wieder zurück zu müssen. Eigentlich war das unnötig da ich ja wusste, dass ich einen Auftrag hatte mit diesem Leben. Ich werde wieder zurückgehen. Daran gab es keinen Zweifel. Ich lebe ja noch, als Mensch. Ich saß noch immer auf meiner Bettkante dort in meinem Zimmer, mitten in der Nacht, also zumindest ein Teil von mir dem ich mich noch als einziges ein wenig verbunden fühlte, weil die beiden Ringe „menschliches Leben“ und „Geist“ noch unzertrennbar verbunden waren. Ich hatte aber dennoch gefragt, warum ich dahin zurück muss. Als ich ein Jahr nach dem Erlebnis mein erstes geschriebenes dazu noch einmal durchlas, wurde mir bewusst, dass mein menschlicher Teil so etwas noch nie erlebt hatte was er gerade fühlte, war so überwältigt, dass es dieses nie wieder vermissen wollte. Der menschlichte Teil also wollte nicht zurück, weil er bei Gott das bekam, was er auf der Erde so noch nie erlebt hatte. Es ging dem menschlichen Teil einfach dort am allerbesten. Doch der geistliche Teil von mir wusste, dass es darum nicht geht. Zwei nicht zu trennende Ringe. Ich als Geist wollte „geben“, mein menschlicher Part „nahm“ dort bei Gott. Mein menschliches Bewusstsein wollte von Gott den Zuspruch und die Ermutigung, dass es richtig war wieder zurück zu gehen, auch sich dieser Teil von mir nicht von dieser Freiheit bei Gott trennen wollte und nur schwer konnte. Und Gott gab mir diese Ermutigung, er gab mir einen Grund. Drei worte, mehr brauchte es nicht. Ich sah noch immer ein Bild meiner Familie: „Sie brauchen dich!“

Diese Worte schlugen ein. Er hatte Recht (was er ja immer hat). Je älter wir Familienmitglieder werden, desto öfter ecken wir aneinander und das Zusammenleben wird schwieriger, so empfand ich es zu dieser Zeit. Gegenseitige Vorwürfe und viel zu schnelles urteilen bewirken eine langsame Spaltung in der Familie. Verletzungen. Es wurde einfach zu dicht. Wir Kinder wurden alle erwachsen oder waren größtenteils schon, juristisch gesehen. Je älter, desto größer der Wunsch nach persönlicher Entfaltung – schwierig, wo alle noch in einem Haus leben, eine Küche und ein Esszimmer und ein Wohnzimmer teilen. Dieses zum Teil nebeneinander her leben, ließ mich in meinen ersten beiden Studienjahren dummes denken, dass ich nicht mehr zur Familie dazuzugehören würde, weil ich unter der Woche nun wo anders lebte. Wie konnte ich wo ich nicht mehr mit lebte noch zum System der Familie gehören und es klappte doch auch ganz gut ohne mich, wenn ich in der Studenten-WG meines Studienortes lebte. Sogar noch besser, da es weniger Reiberein gab. Ich gab mir irgendwie die Schuld. Keine Ahnung wofür. Ich selbst war es die sich abkapselte und niemandem dort mehr zu Last fallen wollte, denn dann gab es weniger Spannungen. Doch das waren Gedanken die der Feind mir eingeredet hatte. Ich gehörte sehr wohl dazu. Um das zu begreifen musste meine Mama mir das sagen, als ich ihr unter Tränen von diesen Gedanken und den Gefühlen berichtet hatte. Hätte ich ein Gespräch mit ihr schon früher gesucht, wär mir einiges davon erspart geblieben. Jedenfalls gab Gott mir die klare Antwort – auch wenn ich es vorher nicht so fühlte – aber sie brauchen mich.

Wie krass ist das? Sie, die mich großgezogen haben, die mit mir groß geworden waren – meine Eltern und meine Geschwister und meine Oma, sie brauchen mich. Welches Vorrecht hatte Gott mir da eben gegeben. Was bedeutete es, dass sie mich brauchen? Warum? Ich bin doch nicht besser! Nein, ich bin anders. Das genügt bereits. Ich hab diese Verbindung zu Gott, von der sie profitieren. Es tut ihnen gut. So wie es mir mehr als nur gut tat plötzlich Gemeinschaft mit so lebendigen Christen in dieser Gemeinde zu habe. Im Studium hatte ich andere Gemeinden. Unterschiedliche. Um zu lernen. Für später. Mich interessierte es wie Gemeinden funktionieren, was sie ausmacht heute. So beschäftigte ich mich auch in meiner zweiten Bachelor-Thesis mit diakonisch-missionarischer Gemeindeentwicklung. Ich lernte auch nach der Thesis nicht aus. Stetig lerne ich dazu, lässt Gott mich dazulernen, wie Menschen sind, lässt mich verstehen wie soziale Gefüge sich verstehen und verstanden werden wollen. In meiner nun kommenden Arbeit als Diakonin für die Jugendarbeit in einigen Gemeinden eines evangelischen Dekanats, stehe ich einer Herausforderung entgegen die ich suchte, aber deren Ausmaß ich erst jetzt erkenne. Doch habe ich von Gott den Zuspruch bekommen, klarer würde es fast nicht gehen. (Ein Bibelspruch. Unter tausenden Bibelseiten schlug ich in lauter Verzweiflung auf eine Antwort von Gott meine Bibel auf und landete bei Römer 16. Unter allen wenigen Stellen über Diakone in der Bibel schlug ich ausgerechnet diese Seite auf, in der es um Phoebe ging. Es gibt nur eine Stelle in der in der Bibel eine Diakonin erwähnt wird. Und ich hätte das auch mit meinem Namen austauschen können und ihre Gemeinde mit meiner Arbeit in der Mutter/Vater-Kind-Klinik, wo ich auf einer Insel in Deutschland neun Monate lang gearbeitet habe zu dieser Zeit.) Eine große Aufgabe von der ich praktisch nicht viel Ahnung habe, doch hat Gott mich ausgerüstet über die Jahre mit Fähigkeiten des Beobachtens, Erfassens und Erkennens, mit Empathie und Liebe. Ich weiß um Systeme und deren funktionieren. Ich habe erfahren was einer Gemeinde hilft in sich zu wachsen. Doch zuvor muss eine Gemeinde zunächst einmal zusammenfinden und Hindernisse, innere Mauern überwinden. Ich kleines unerfahrenes Ding, Diakonin der Landeskirche. Ich soll da nun etwas bewegen bei Menschen, besonders Jugendlichen die ich noch nicht kenne, in einer Gegend in der ich noch fremd bin. Wie Phoebe. Menschlich gesehen, ganz ehrlich, sehe ich hier selbst eine Mauer. Doch in einem Psalmvers (wo nochmal, werde ich noch recherchieren) heißt es „Mit meinem Gott springe ich über Mauern“. Ich arbeite hier nicht für die Pfarrer der Gemeinden, ich arbeite für Gottes Reich, für die Gemeinden. Ich weiß welche Zeile Gott mit den Menschen hat, sie näher zu sich zu führen, sie in der christlichen Gemeinschaft näher zueinander führen. Und mich hat er dazu eingesetzt. Klasse. Doch wo führt, da wirkt er auch. Was auch immer auf mich zukommen wird. Wie auch immer meine Ängste sind in dem „WIE“ ich dieses umsetzten kann um zu diesem Ziel zu kommen, muss ich Gott überlassen. Er wird es führen und leiten, mich und andere. Ich alleine, kann nichts bewirken. Doch mit Gott ist alles möglich. Was ich dir damit sagen will: Menschlich gesehen ist so vieles unmöglich. Das sollte dich nicht davor abhalten das zu tun, was dir auf dem Herzen brennt. Denn so beginnt es oft, ganz klein, mit einem Flämmchen. Gott wirkt. Auch in dir und durch dich. Ein kleiner Funke reicht oft aus, die Bedingungen schenkt Gott, dass dieser nicht erstickt. Ein einziger Dominostein reicht um tausende andere ebenfalls in Bewegung zu bringen, wenn diese günstig stehen. Gott wirkt, dass diese so stehen. Und wenn es einmal nicht weiter geht, so kann man sich gewiss sein: Gott hat Dominosteine entnommen, damit es nicht in die falsche Richtung geht. Er führt. Es braucht nur den Glauben und das Vertrauen. Und um nicht unter Ängsten zu leiden, braucht es Gemeinschaft mit Gott. Um an seinem liebenden Vaterherz zu bleiben. So werden die Ängste klein. Und Liebe und Vertrauen gewinnt an Platz. Es braucht auch andere (Christen)Menschen, die helfen standhaft zu bleiben, Ermutigungen, liebe Zurechtweisungen und ja – Fürbitte. Bitte um Gebetsunterstützung bei Menschen die dir nahe stehen. Manche Kämpfe können wir nur gemeinsam kämpfen. So weiß auch ich, dass mich derzeit mindestens zwei liebe Menschen mit Gebeten unterstützen, die ich darum gebeten habe. Mir wurde vor ein paar Tagen bewusst, alleine schaffe ich den Kampf nicht. So ein komplett neuer Lebensabschnitt verlangt vieles von mir. Ängste haben da leichtes Spiel. Doch gemeinsam mit anderen kann ich überwinden. Und seit dem ich Gebetsunterstützung habe, ist mit Gott wieder näher. Ich habe weniger Ängste und mehr Zuversicht. Ich spüre und höre ihn in mir durch seinen Heiligen Geist. Ich handele in manchen Situationen, wie er mich führt. Doch nun wieder zurück.

*

Mein menschliches Bewusstsein sagte: „Das dort auf dem Bett bin ich. Das ist die Form wie ich existiere. Es ist mein Leben. Ich muss dahin zurück. Denn das ist mein zu Hause. Meine Familie, meine Eltern, Geschwister, Freunde. Dort gehöre ich hin.“ Der andere Teil in mir hatte sein zu Hause dort wo er jetzt war. Für ihn war dieser „Ort“ viel realer und wirklicher als das „greifbare“ Leben, der menschlichen Seite. Mich nicht in meinem Körper zu wissen war also für einen Teil von mir unverständlich und lebensbedrohend. Mein Leben konnte ohne mich schließlich nicht weitergeführt werden und ein Teil von mir hing wirklich sehr an dem Leben. Das war der menschliche Part des Ringes. Mein geistiges und ursprüngliches Ich dagegen, das nun an diesem Ort wieder sein zu Hause hatte, sprach zu dem andere ICH: „Deine Welt ist mir fremd. Die, die du Familie nennst sind mir fremd. Ich fühle mich in der Welt in der du lebst nicht wohl. Ich fühle mich hier wohl und hier gehöre ich hin.“ Und dieser Teil überwiegte. Er überwiegte zum einen, weil es meine ursprüngliche Form war in ihrem zu Hause, die aber trotz allem noch nicht wieder ganz frei war. Dennoch war sie dort an dem Ort. Endlich hatte ich in dieser Form wieder den Heimweg gefunden, von dem ich wegen meiner menschlichen Verbundenheit nicht viel gewusst hatte. Doch hatte ich meinen „Heimweg“ hierhin noch nicht wirklich angetreten. Es war „nur“ eine Art Gaststatus. Der war so eindrücklich, überwältigend, befreiend und vollkommen. Ich wollte nicht wieder weg. Und auch der menschliche Teil der sich ebenfalls nach diesem gesehnt hatte, wollte das nicht wieder vermissen müssen, jetzt wo es auch für den menschlichen Teil offenbar geworden war – wenngleich ich auch nur einen Bruchteil von dem „dort“ nach dem Leben erleben durfte. Dort wo es keinen Schmerz und keine Trauer gibt sondern nur Liebe, pure Liebe und unendlichen Frieden und Klarheit. Zu sehr genoss auch mein menschlicher Teil sich dort so vollkommen und angekommen zu Hause zu fühlen. Sowas hatte ich auf der Erde nie fühlen können. Wo auf der Erde auch immer meine Heimat war, war ich dennoch stets auf der Suche gewesen. Das hier war wonach ich mich immer gesehnt hatte, das wusste ich nun. Ob sich mein Geist danach sehnte oder der Mensch in mir. Im Grunde egal. Da beides irgendwie auch eins ist, sehnten sich wohl beide danach. Der eine weil er wusste, was dort ist, der andere, weil das was auf der Erde ist, nicht alles sein konnte.

Beide Ringe waren auf der Erde untrennbar miteinander verbunden gewesen, wie ein breiter Doppelring dem man nicht angesehen hat, dass es eigentlich zwei waren – sie waren eins. Es hatte auf der Erde bislang keinen Unterschied zwischen mir als Mensch und mir als Geist gegeben. So sehr sog ich als menschlichen Teil nun Gottes Liebe in mir auf. Von hier wieder weg zu müssen, zurück auf die Erde und in meinen Körper, das war zunächst, als ob ich menschlich betrachtet zu Hause ankomme, doch auch verstoßen würde, von diesem zu Hause in dem ich gerade noch war. Es fühlte sich plötzlich so verdammt hart an das Leben dort auf der Erde! Von der Ewigkeit aus betrachtet war es für mich auf der Erde im menschlichen Körper nun die „Hölle“. Es war von „hier oben“ aus betrachtet einfach nur kalt, eng, beschränkt und einfach nur schrecklich, selbst wenn kein Krieg herrscht wo ich lebe. Die Menschen waren grausam und erbarmungslos miteinander von meinem jetzigen Standpunkt aus, die Erde zu sehen als Ganzes. Es schien mir als würde jeder den anderen um etwas (be)neiden und stets nach sich selbst als Erstes schauen. Dort war ich – auch wenn Gott mir nahe war – stets von Gott getrennt. Ich war ihm dort nicht so verbunden wie ich es jetzt war. Es ist schwer zu beschreiben. Es war wie von einem herrlich warmen Sommertag zurückgeworfen zu werden in die Tiefe hinab, in eisige Meereskälte. Es ist wie vom Ort des Friedens mitten ins Gemetzel zurückzugehen und genau zu wissen, nicht ohne Verletzungen zu bleiben. Gott wird mein Arzt sein, auch das wusste ich. Vielleicht auch wie vom Paradies hinauszumüssen.

Auf der einen Seite wollte ich zurück und auf der anderen wollte ich dort bleiben, wenn man es kurz zusammen fasst.

Es schien mir als sei ich jetzt schizophren. Jeder kennt das Gefühl sich entscheiden zu müssen zwischen zwei Dingen, die man gleichermaßen liebt, oder man liebt das eine mehr, muss sich aber aus bestimmten Gründen doch für das andere entscheiden. Das Ganze ist ein Prozess in dem man sich mit sich selbst auseinander setzen muss. Über diese „Erfahrung“ und das jetzige Wissen um mein ursprüngliches Sein, lernte ich mich selbst besser kennen. Ich war nicht nur ein Mensch, ein Mädchen, eine Frau, sondern mehr als das. Die Bedeutung des Wertes meines Lebens erschloss sich mir durch das ursprüngliche Sein. Der Sinn meines menschlichen Lebens erschloss sich mir nun durch meinen Aufrag hier und Gott wird mich leiten und führen, was er mir später noch gesagt und auch nach meiner Rückkehr bestätigt hat. Und doch, war es ein Kampf wieder auf der Erde angekommen zu sein. Doch dazu später.

·     Vorsehung – Der Brief

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